Donnerstag, 11. Juni 2009

Es gibt heutzutage Profis!

Würden Sie wollen, dass Ihr Zahnarzt sich Tipps zur Behandlung Ihrer Zähne von jemandem holt, weil diese Person zwei Amalgamplomben, drei Kunstofffüllungen, vier Kronen und eine Brücke hat?
Können Sie die Technik eines Fernsehgerätes verbessern? Sie sind schließlich schon zig Stunden vor diesem Gerät gesessen und haben es schon tausendmal erfolgreich verwendet.
Soll ich Ihnen die Haare schneiden? Ich war schon oft beim Frisör. Vertrauen Sie mir.
Komisch, in den verschiedensten Bereichen ist uns die Meinung von Fachleuten wichtig. Doch wenn die Sprache auf die Schule kommt, dann hat die Stunde eines jeden ehemaligen Schülers geschlagen. 9 bis 13 Jahre haben einen jeden Menschen zum Bildungsfachmann auf Lebenszeit gemacht. Wen kümmert‘s da schon, dass die Erfahrung vielleicht schon 20, 30 oder sogar noch mehr Jahre alt ist. Das Bauchgefühl der Menschen besiegt jedes noch so vernünftige Argument. Dr. Dr. Manfred Spitzer kann forschen, schreiben und vortragen wann, wo und wie viel er will, Max Mustermann weiß, wo in der Schule der Hase läuft. Egal welche Untersuchung oder welche Erfahrung zitiert wird, einer weiß es immer besser. Schade ist nur, dass es nicht bei diesem einen bleibt. So ziemlich jeder meint, dieser eine zu sein. Jedem ist klar, dass im Bereich der Computertechnik in den letzten 20 Jahren gewaltige Fortschritte erzielt wurden. Selbst ein nur 10 Jahre alter Computer ist heutzutage kaum noch zu irgendetwas nütze. In technischen Bereichen sind wir alle fortschrittshörig ohnegleichen. Wenn die Sprache aber auf die Schule kommt, dann ist vielen ein Modell von vor 20 Jahren gerade noch gut genug. Noch besser wäre es freilich, wenn die Schule wie vor 30 oder 40 Jahren funktionieren würde.

Warum ist es so schwierig zu kapieren, dass es tatsächlich Profis gibt, die herausgefunden haben, wie Schule besser funktioniert?

Ich nehme den ersten Kommentar gleich vorweg: „Und Sie behaupten von sich einer dieser Profis zu sein?“ Kurze Antwort: „Ja.“

Es gibt aber auch andere, bedeutendere. Prof. Peter Fischer beispielsweise schrieb folgenden höchst interessanten Artikel: www.bildungsgewerkschaft.at/downs/spitzernachtrag.doc

Schulnoten sind doof!

Es ist Juni. Das Ende des Schuljahres droht. Manche Schüler versuchen noch verzweifelt ihren Notenschnitt anzuheben oder überhaupt das Durchfallen zu vermeiden. Die Lehrpersonen merken, dass sie bei weitem nicht genug statistisch verwertbare Beurteilungen gesammelt haben. Ein Test jagt den anderen. Eine Prüfung wird von der anderen abgelöst. Dazwischen gibt es noch schnell ein Paar Referate, Redeübungen oder Vorträge. Und wozu das alles? Der Tag der Abrechnung, die Zeugnisübergabe naht. Und was finden wir in einem solchen Zeugnis? Eine Liste von ca. einem Duzend Fächer und jedes Fach ist noch mit einer Ziffer zwischen 1 und 5 versehen. Ach ja, das Zeugnis gibt noch Auskunft darüber, wem es gehört, wie alt die Besitzerin oder der Besitzer ist, welche Klasse in welcher Schule besucht wurde und an welchem Tag es ausgestellt wurde. Der Name des Klassenvorstandes und des Direktors wird auch noch ersichtlich. Und fast vergessen hätte ich das Urteil der Klassenkonferenz über das Verhalten des beschriebenen Subjekts.
Für diesen Wisch stehen im Moment viele Kinder und Jugendliche und ihre Eltern Kopf. Lehrpersonen zermartern sich selbigen, wie sie jedem eine gerechte Zahl zuordnen können. Schließlich haben diese Nummern große Bedeutung. Einsen geben zu ungezügelter Freude Anlass (außer sie wurden nur auf Nebenschauplätzen wie Sport oder Bildnerischer Erziehung erworben). Das „Gut“ lässt die Mundwinkel des Betrachters immer noch zufrieden nach oben weisen. Ein „Befriedigend“ wird seinem Namen nicht gerecht. Befriedigt ist bei seinem Erhalt kaum einer, aber wenigstens ist man noch klar von der Abstiegszone, oder besser „Nichtaufstiegszone“, entfernt. Das „Genügend“ kann oft mehr Freude auslösen, als so ein unspektakuläres „Befriedigend“. Es kommt darauf an, wie es errungen wurde. Wenn es Auskunft darüber gibt, dass der Kampf gegen das Sitzenbleiben gerade noch gewonnen werden konnte, dann können Freudentränen kullern und so ein „Genügend“ stellt dann jedes „Sehr Gut“ locker in den Schatten. Wehe denen, die mit einem „Nicht Genügend“ daher kommen. Die Familie versinkt in kollektiver Depression. Vorwürfe, Selbstvorwürfe, gegenseitige Schuldzuweisungen, Gezeter, Geschrei und Tränen leiten nun eine Trauerzeit ein, die mit ihrer Länge von 8 1/2 Wochen, die Zeit der Trauer um den letzten verstobenen Verwandten um ein Vielfaches zu überschreiten droht. Sogar das Wehklagen über den überfahrenen Hund der Familie war eher verstummt. Klar, der Hund ist tot und wird es mindestens bis zum jüngsten Tag auch bleiben. Das „Nicht Genügend“ aber, das kann noch umgewandelt werden. Der Doomsday ist nur 8 ½ Wochen entfernt. Dieser letzte Funke Hoffnung ist nun Grund genug, dass das jetzt ohnehin nicht mehr gebrauchte Urlaubsbudget in den Taschen eines Nachhilfelehrers verschwindet. Egal, wie das Wetter in diesem Sommer auch wird, der Urlaubstraum der „Nicht Genügend“-Familie ist geplatzt. Wird es ein verregneter Sommer, fällt die ohnehin schlechte Stimmung endgültig in den Keller. Ist das Wetter aber heiß, brüten der Lernende und seine Aufpasser im eigenen Saft geschmort über Büchern, deren Inhalt immer weniger in Beziehung zum täglichen Leben gesetzt werden kann. Und wer es bis dahin noch nicht wusste, dem wird es jetzt klar. DER LEHRER IST SCHULD! Bei Herrn Sowieso hätte die erbrachte Leistung locker für eine Drei gereicht. Frau Muster hätte das Kind nie und nimmer durchfallen lassen. Bei ihr ist noch nie jemand durchgefallen. Letztes Jahr hat es sogar Joachim geschafft. Das war der endgültige Beweis, dass bei ihr auch in Zukunft nie jemand wird durchfallen können. Jetzt, wo der Schuldige endlich gefunden worden ist, kann man endlich die Bücher in eine Ecke werfen. Wenn der „Nachzipf“ nicht bestanden wird, dann ist das nicht Unvermögen, nein, ganz und gar nicht. Das ist Notwehr! Es war die einzige Möglichkeit diese herzlose Lehrperson los zu werden. Mit hoch erhobenem Haupt kann man nun Mathe, Deutsch und Englisch ein Jahr lang wiederholen, weil man einfach die Flucht vor diesem Unmenschen von einem Geografielehrer hatte antreten müssen.
Da Lehrpersonen und Eltern wie die Kletten an einem Wollpullover an diesem unseligen Ziffernnotensystem festzuhalten scheinen, fordere ich aber, dass in einem Zeugnis wenigstens neben den Fächern und ihren Noten auch die Namen der Lehrpersonen stehen, die diese zu verantworten haben. Man hat doch schließlich ein Recht zu erfahren, wenn das „Befriedigend“ eine Note ist, die beim Paralelllehrer mindestens ein „Sehr Gut“ gewesen wäre. Alle Welt soll sehen können, wie der Unmensch heißt, der einem den Urlaub versaut hat. Und wenn ein Schüler wegen Geografie ein ganzes Schuljahr wiederholen muss, dann soll der gefühlskalte Pädagoge den ganzen Sommer über unbezahlte Nachhilfe erteilen müssen. Und wenn der Schützling trotzdem durchfällt, sollen die Kosten für dieses sinnlose Wiederholungsjahr von seinem Lohn abgezogen werden. Ja, wenn man weiß, wem man die Schuld zuschieben kann, dann geht es einem gleich besser. Der Lehrer ist schuld. Ich hätte es mir gleich denken können. Die Lehrer sind immer Schuld…und Schulnoten sind doof!

Mehr zum Thema Schulnoten:
http://paedpsych.jk.uni-linz.ac.at/internet/ORGANISATIONORD/VIERLINGERORD/VierlingerAbschaffung.html

Warum gibt es diesen Blog?

„Eine Investition in Wissen bringt immer noch die besten Zinsen.“
Benjamin Franklin (1706-90), amerik. Politiker, Schriftsteller u. Naturwissenschaftler, 1776 Mitunterzeichner d. amerik. Unabhängigkeitserklärung

Was Benjamin Franklin im 18. Jahrhundert erkannt hat, hat auch heute noch Gültigkeit. Diese Weisheit ist unbestritten. Unbestritten ist auch, dass die Ergebnisse, die heute nach 9 Jahren Schulbildung durchschnittlich erzielt werden, nicht optimal sind. Die Meinungen gehen aber weit auseinander, wenn es darum geht, Lösungsvorschläge zur Verbesserung zu finden.

Lösungsvorschläge werden von Vertreterinnen und Vertretern von Lehrergruppen, Elternvertretungen, Wissenschaftlern und politischen Parteien erarbeitet. Alle stehen in gewissen Abhängigkeitsverhältnissen und sind Sachzwängen unterworfen. Dies führt dazu, dass bereits von Anbeginn Kompromisse eingegangen werden und eine umfassende, visionäre Neugestaltung der Bildung in Österreich nicht einmal angedacht wird.

Ich habe mein ganzes Leben mit Schule, Bildung, Weiterbildung und Lernen verbracht. Obwohl ich in dieser Branche professionell arbeite, bin ich in Österreich völlig unabhängig. Ich brauche niemanden zu vertreten, ich stehe auf niemandes Gehaltliste und ich brauche nicht um Wählerstimmen zu buhlen. Ich bin frei. Ich kann es mir leisten, mich diesem Thema pragmatisch zu widmen. Ich kann ein visionäres Bild zeichnen.

Sie, die Leserinnen und Leser dieses Blogs, sind eingeladen, meinen Gedanken zu folgen und durch ihre Ideen zu ergänzen und offen zu diskutieren.

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