Freitag, 21. August 2009

frdammti bitch - i shwör i shlach di – Zickenkrieg im Internet

bitch-chatDas Schuljahr hat gerade begonnen. Mit Tränen in den Augen steht ein 12jähriges Mädchen vor der Türe zu Lehrerzimmer. Sie verlangt ihren Klassenlehrer zu sprechen. Sie schluchzt: „Es geht schon wieder los.“ Das Mädchen musste letztes Schuljahr Tiraden von Hass und Schmäh – SMS über sich ergehen lassen. Das Sprechen mit den Absenderinnen brachte nur wenig. Kurzfristig gab es eine Besserung, doch schon am nächsten Wochenende ging das Theater wieder los. Dennoch besserte die Situation bald. Die Mutter des betroffenen Mädchens hatte ihr das Mobiltelefon weggenommen und es ihr nur noch kontrolliert zur Benutzung überlassen. „Sie ist richtig aufgeblüht,“ berichtete eine erleichterte Mutter. Der aktuelle Konflikt spielte sich ohne Massenkommunikationsmittel ab. Er konnte ausgeräumt werden und bei einem Ausflug am vierten Schultag schien alles wieder in Ordnung zu sein.

Eine Kollegin berichtet mir aber bei der Rückkehr von genau diesem Ausflug von einem anderen Mädchen, das sich bedroht fühlt. Das Mädchen hat Angst gemobbt und geschlagen zu werden. Vorausgegangen war ein Chat. Zum Beweis schickte das Mädchen eine Kopie der Konversation an die Lehrerin. Wer die beteiligten Mädchen aus dem realen Leben kennt, kann sich kaum vorstellen, dass das Geschrieben von einer von ihnen stammt. Offensichtlich kommt es in der virtuellen Welt zu einer Veränderung der Persönlichkeit. Obwohl in der realen Welt nur klein und schmächtig, riskiert das Mädchen, sobald sie vor dem Bildschirm sitzt, eine große Lippe. Schon oft wurde mit ihr gesprochen. Der Klassenlehrer und der Schulsozialarbeiter haben schon alle Register gezogen. Die Mutter wurde informiert und sogar eine Beanstandung im Bereich Betragen wurde ins Zeugnis eingetragen, obwohl sich die das Mädchen sonst nichts zu Schulden kommen hat lassen. Im Gegenteil, in der realen Welt ist die Täterin meist fröhlich, charmant und beliebt. Ihr Verhalten erinnert aber manchmal an diverse High School Soaps aus dem Disney Channel.

Auf MTV wird gezeigt, wie Paris Hilton ihre „Beste Freundin“ vor laufender Kamera castet. Höhepunkt einer jeden Castingshow ist der obligate Zickenkrieg. Hier bekommen die Teenager, die in der Bildschirmwelt nach Rollenmodellen suchen, das Rüstzeug, selbst zur Bitch zu werden. Wen wundert es, wenn dann im Internet darüber gestritten wird, wer, wem ABFFL antragen oder kündigen darf, soll oder muss. ABFFL kündigen! Das erklärt fast selbstredend, dass es hier eine gewisse Störung im Sozialverhalten gibt. ABFFL heißt nämlich: „Allerbeste Freunde fürs Leben“.

Wer aber meint, dass nur Teens einander im Internet beschimpfen, der täuscht sich. Man muss sich nur ein bisschen auf Blogs und Zeitungsseiten umsehen und man wird sofort fündig. „Herr Walser!
Sie sind wahrlich das Dümmste das die österreichische Politik in den letzten Jahren hervorgebracht hat!...“
, kommentiert im Schutze der Anonymität „anno“ im Blog des grünen Bildungssprechers Dr. Harald Walser. Unter einem Artikel mit dem Titel „Kampusch wird zum Einsiedlerkrebs“ schreibt „printmaus“: „EINSIEDLERKREBS ? Wenns doch nur so wäre. Ich will diese Fresse nicht mehr sehen!“ Das sind überhaupt keine spektakulären Beispiele. Im Gegenteil, die Un-Kultur im Internet gäbe viel Krasseres her. Vielleicht sind es aber auch diese Vorbilder, die die Jugendlichen glauben machen, im Internet sei alles erlaubt. Obwohl ich offene Foren und Blogs sehr schätze, denke ich, dass vor allem jungen Menschen ein falsches Verständnis von Meinungsfreiheit vorgegaukelt wird. Die Verrohung der Umgangsformen wird täglich im politischen Geplänkel, im Fernsehen und im Internet vorexerziert. Geiz ist geil, aber KRASS ist noch viel geiler. Es ist höchste Zeit, den respektvollen Umgang mit anderen Menschen wieder mehr zu pflegen und auch eine klare Botschaft zu senden, wenn Grenzen überschritten werden. Es gilt klar zu kommunizieren, dass Beleidigungen, Herabsetzungen und verbale Nötigungen KEINE Rechte im Rahmen der Meinungsfreiheit darstellen. So schwierig es scheint, Jugendliche vor Übergriffen in Chatrooms zu schützen, so einfach kann die Lösung sein. Das Ei des Kolumbus heisst „On-Off“-Button und den müssen Eltern kontrollieren. Die zuvor beschriebene Mutter hat es mit dem Hany ihrer Tochter vorgemacht.

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Andy (Gast) - 22. Aug, 01:22

Der Artikel gefällt mir sehr gut, weil er aufs Wesentliche kommt!

MAHNmal (Gast) - 24. Aug, 00:23

Info

Passt zwar nicht zum Thema - trotzdem zur Info an alle Interessierten (und demnächst Betroffenen, die sich mit Sicherheit auch hier tummeln):
Mario Lechner, die linke Hand von Hannes Rauch (Vorsitzender der Grünen in Vorarlberg) hat unlängst angeregt, ich möge doch einen eigenen Blog gründen - DEN WIRD ES DEMNÄCHST (voraussichtlich sogar noch vor den Ländlewahlen) GEBEN, zwar nicht als mein „privater“ Blog, sondern als ein solcher der am letzten Wochenende gegründeten IG

DOKUMENTATIONSZENTRUM DES VORARLBERGER WIDERSTANDES.

Diese IG, die sich betont weigert in das gäng-kleingeistige links-rechts-Schema pressen zu lassen, hat derzeit 23 (Gründungs-)Mitglieder und besteht aus Intellektuellen unterschiedlichster Profession (Lehrer, Ärzte, Historiker, Journalisten, Grafiker u.ä.).
Unter dem Arbeitstitel

NEUES VON GANZ LINKS

wird dieser Blog in den nächsten Wochen erarbeitet und online gestellt. Es soll jedenfalls - inhaltlich wie grafisch - etwas werden, was es so im Ländle noch nicht gibt - Überraschungen garantiert!
Darüber hinaus wird die IG-DVW noch heuer in Dornbirn ein Büro mit entsprechender Infrastruktur beziehen, von dem aus u.a. auch die geplante „nicht-digitale“ publizistische Tätigkeit (sprich Hefte, Bücher, Flyer, u.ä) gesteuert wird.
Alles in allem steht der politischen Landschaft in Vorarlberg jedenfalls eine spannende Bereicherung bevor, die vielleicht auch Ihnen, Herr Brändle, noch so manche schlaflose Nacht bereiten wird!!

mfg
MAHNmal (demnächst unter www.dvw.org dechiffriert)

arnobraendle.com - 27. Aug, 09:48

Nur zu!

Bereicherungen sind immer willkommen. Ob diese IG wirklich eine Bereicherung darstellt, wird die Zukunft zeigen.
Gast (Gast) - 26. Aug, 17:51

Danke!

Lieber Arno, Sie sprechen mir aus der Seele.

"Die Verrohung der Umgangsformen wird täglich im politischen Geplänkel, im Fernsehen und im Internet vorexerziert. "

Diese Barbarei nimmt wirklich immer beängstigendere Formen an. Aber was sollen Kinder bei dieser verrohten und verlogenen Politik schon anderes lernen?
Die FPÖ ist als Vorbild eine Katastrophe, aber wäre sie nur ein Einzelfall-Schmuddelkind geblieben, hätte man das noch im rechten Eck liegen lassen können. Problematischer finde ich die ÖVP-Politiker, die als feine Damen und Herren im Anzug auftreten. Das was z.B. Ministrer Platter mit der Arigona-Hatz begonnen hat und Fekter an Missachtung und Inhumanität fortsetzte, sprengte alle Tabus in der Bevölkerung. Dann war die Hölle los. Das war der Anfang von diesem Ende. Ich habe die Politik und Gesellschaft noch nie so tief erlebt.
Man kann nur hoffen, dass das mehr Menschen wie Sie erkennen und mit mehr Bewusstsein dagegen wirken. Dass die, die es erkennen, wieder respektvoller miteinander umgehen und solidarischer werden, statt dieses böse Spiel mitzuspielen. Ich glaube es ist so, dass diese polarisierende Mobbingpolitik programmatisch gemacht wird, weil der schädigende Effekt erwünscht ist. Je mehr Leute sich in Kleinkriegen gegenseitig schwächen, je größer Armut, Notlagen und Angst, desto mehr wird rechts gewählt und ein "starker Führer" und "Retter" gebraucht. Jede Not und Schwächung, jede Vereinzelung, ist ein Vorteil für die Starken, Mächtigen, die mit ihrer Macht aber keineswegs das machen, was sie so alles versprechen. Das sollte man ihnen nicht gönnen! Also haltet zusammen.

Liebe Grüße

rauch - 27. Aug, 08:58

prima beitrag!

...und wichtiges thema, bisher bei weitem unterschätzt!

mbg - j. rauch

arnobraendle.com - 27. Aug, 09:45

Danke für das Interesse!

Vielen Dank für das Interesse. Das Thema Kinder bzw. Jugendliche in der virtuellen Welt und der Einfluss von medialen Vorbildern auf ihr Verhalten bewegt mich schon lange. ich konnte einfach nicht mehr an mich halten und deshalb musste ich meinen letzten Beitrag zu einem aktuellen politischen Thema schreiben. Ich komme aber an diesem Wochenende auf dieses bildungspolitisch sehr wichtige Thema zurück.

Gast (Gast) - 5. Sep, 17:54

Sie haben ganz recht. Das Thema Mobbing und Cybermobbing sollte viel mehr Beachtung finden und behandelt werden.
Es geht einfach um die zunehmende psychische und körperliche Gewalt in Schule und Gesellschaft und um schlechte Vorbilder im öffentlichen Leben.
Leider wurden unter Schwarz-Blau die Häfte der Sozialarbeiter an Schulen abgeschafft, statt verstärkt. Die LehrerInnen werden damit alleine überhaupt nicht mehr fertig!

Mein Sohn hat jahrelang unter gewalttätigen Mitschülern gelitten. Ich musste ihn 2 Mal zum Arzt tragen. Er war dann immer wochenlang von Infekten geplagt, versäumte zu häufig Prüfungen und musste trotz bester Noten und überdurchschnittlich hoher Intelligenz irgendwann die Schule abbrechen. Er bekam durch die schrecklichen Erfahrungen ein unbehandelbares Augenproblem, das Fachärzte auf diese Traumatisierungen zurückführten und sieht nun extrem störende Doppelbilder. Damit ist er fürs Leben geschädigt. Ich brachte ihn einfach nicht mehr in die Schule - Kranke und Behinderte werden erst recht brutal gemobbt. Sensiblen Menschen bleibt gar nichts anderes übrig als sich sozial zurückzuziehen. Ich musste meinen Job kündigen uns so verarmen wir nun eher hoffnungslos.

Geholfen hat nichts und niemand, kein Lehrer, kein Arzt, kein Betriebsrat, einfach niemand. Da kann niemand helfen, man kann nur versuchen diese Probleme zu verhindern.
Mir scheint dieses Schulsystem und unsere Politik fördert mehr Schulabbrecher, Depressionen und Arbeitslose als Jugendliche.
Ich kann leider gar nichts Positives mehr zu all dem sagen. Wir fühlen uns insgesamt nur mehr betrogen.

Macht was dagegen, damit es anderen nicht auch so ergeht!

Hier ein Artikel zu Cybermobbing: http://derstandard.at/fs/1252036562836/Methode-Pappik

"Mit der zunehmenden Nutzung von Internet und mobilen Telefonen nimmt auch das Cybermobbing zu. Hier werden Schwächere per E-Mail, Handy, Instant Messenger oder in virtuellen Chaträumen beleidigt, geächtet und gedemütigt. Cybermobbing haben bereits - so die Studie - 16,5 Prozent der Befragten erlebt. Geht man von der aktuellen Schülerzahl aus, so könnten deutschlandweit rund 1,9 Millionen Schüler Opfer von Cybermobbing sein."

Viele Grüße

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