Montag, 6. Juli 2009

Reise nach Jerusalem - welcher Gott gewinnt?

Ritter-Jerusalem Die Urlaubszeit ist da. Ohne Zweifel, Reisen bildet. Etliche Reisen (bspw. hier) haben mich zu der Person gemacht die ich im Moment bin. In den letzten drei Jahren verbrachte ich einmal im Frühjahr und zweimal im Sommer jeweils ca. eineinhalb Wochen in Jerusalem, der geteilten Stadt mit der geviertelten Altstadt. Erstes Ziel meines Besuchs war immer die International School for Holocaust Studies in Yad Vashem, wo ich Weiterbildungsveranstaltungen für Lehrer/innen besuchte. Yad Vashem, dieses Mahnmal, dieser Schrei der Opfer des Holocausts von Künstlern auf dem Berg der Erinnerung errichtet, kann nicht an einem Tag und auch nicht in einer Woche erlebt werden. Die Idee, sich praktisch ausschließlich den Opfern zuzuwenden und die Täter in der Versenkung der Geschichte verrotten zu lassen, war mir neu und faszinierte mich sogleich. Einzelne Geschichten der Opfer gingen mir ans Herz. Gegen Berge von toten, ausgemergelten Körpern kann, nein, muss man sich wohl verschließen. Doch die Geschichte der kleinen Hannah findet ihren Weg direkt ins Herz. Zuhause war es einfach, den Nazis, besonders den kleinwüchsigen, großen Nazis, wie Hitler und Goebbels die Schuld für die Verbrechen zu geben. Doch wenn man die Geschichten der Opfer einzeln betrachtet, dann hat keines von ihnen Hitler oder Goebbels jemals getroffen. Es waren immer ganz normale Menschen, die etwas taten oder, was oft noch schlimmer war, nichts taten. Yad Vashem ist der Bewahrer des Andenkens der Opfer und jener Gerechten unter den Nationen, die selbstlos Juden geholfen haben. Es eignet sich überhaupt nicht als Pilgerstätte für Neonazis. Anders sieht es da mit vielen Gedenkstätten in Europa aus. Hier wird den Tätern oft in bester Absicht großzügig Ausstellungsaum gewährt, um von ihren, für die einen abscheulichen, für die anderen aber heldenhaften Taten zu künden. Diese Konzepte gehören überdacht. Vorkommnisse wie dieses Jahr in Auschwitz oder Ebensee wären bei einem konsequent opferorientierten Ausstellungskonzept weniger wahrscheinlich.
Jerusalem bietet aber noch viele andere Bildungsmöglichkeiten. Man sitzt förmlich im Auge des Orkans der aktuellen Weltgeschichte. Jerusalem, die Stadt, die für drei Weltreligionen heilig ist, um die seit Jahrtausenden gekämpft wird, offenbart sich als Ort in dem Menschen wohnen, einkaufen, lachen, trauern, beten oder einfach nur leben.
Die Altstadt hat wirklich so viele Gesichter wie Viertel. Geprägt wird das Bild aber von den Religionen. Das jüdische Viertel wird von der Klagemauer dominiert, über der der Felsendom bzw. die al-Aqsa Moschee thront. Vor der Mauer beten gläubige und strenggläubige Juden, den Körper wiegend, bis sie in Trance fallen. Darüber tun es ihnen die Moslems mit den ihnen eigenen Gebetsformen gleich. Für mich, der ich im in Christenhand befindlichen Abendland aufgewachsen bin, muten diese Ausdrucksformen von bedingungsloser und unkritischer Frömmigkeit fremd an. Wenn man aber durch den Basar der christlichen Eitelkeit wandelt, der seine Geschäfte auf der Via Dolorosa eröffnet hat, um christliche Souvenirs aus aller Welt, hauptsächlich aber aus China, feil zu bieten, könnte man eigentlich schon gewarnt sein, vor dem, was einem in der Grabeskirche Jesu Christi erwartet. Viele heilige Stätten habe ich auf meinen Reisen schon besucht. Unvergesslich bleibt die Ruhe im Goldenen Tempel der Sikhs in Amritsar. Es scheint mir fast als ob jeder andere als heilig verehrte Ort, eigentlich fast jeder andere Ort auf der Welt, über mehr positive Energie und Ausstrahlung verfügt, als The Holy Church Of Sepulcher, die Grabeskirche. Die Leiter, die seit Jahrzehnten in der Fassade ihr Schicksal fristet, wurde für mich zum Sinnbild (un)christlicher Streitsucht. Die 17 Kojen im Inneren der Kirche unterstreichen diesen Eindruck.
Ich habe schon viele fromme Menschen aus den verschiedensten Religionen getroffen. Allen war gemein, dass sie sich für Friede und Gerechtigkeit einsetzten. Ich respektiere solche Gläubige, ganz egal zu wem sie beten. Wenn man aber sieht, dass sich auf 1,6 Quadratkilometer mannigfach heiliger Stadt tausende gläubige Moslems, Juden und Christen, im Glauben ihrem Gott besonders nahe zu sein, drängen und dabei nicht einmal imstande sind, mit den eigene Religionsbrüdern friedlich zu verkehren, dann erlischt der Glaube, dass jemals Frieden auf Erden einkehren könnte Jedenfalls solange es Religionen gibt, scheint universeller Friede unvorstellbar. Nicht einmal Geld gibt zu so vielen Konflikten Anlass wie die Religionen. Wäre ich nicht schon Atheist gewesen, in der Altstadt von Jerusalem wäre ich es nach einem Nachmittag geworden.

Falls Sie sich über dieses unpassend faschistisch anmutende Kreuz am Beginn meines Eintrags gewundert haben, dann klicken Sie bitte hier. Vielleicht geht es Ihnen dann wie mir nach meinen Besuchen in Jersusalem und es wundert Sie nichts mehr.

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