Freitag, 12. Juni 2009

Anthropogogen braucht das Land!

Das Lehren muss eine ganz verzwickte Angelegenheit sein. Ich bin gelernter Hauptschullehrer und somit ein nachdiplomierter Pädagoge. Auch wenn das Wort Pädagogik eigentlich „Knabenführer“ bedeutet, sind damit natürlich Kinder beiderlei Geschlechts gemeint. Unterrichten darf ich aber nur die Gruppe der 10 bis ungefähr 15jährigen (wenn sie nicht zu schlau sind, denn dann brauchen sie natürlich einen Professor). Meine Frau Petra ist auch Diplompädagogin. Sie darf Kinder im Volksschulalter unterrichten (die dürfen schlau, aber nicht schwach sein, denn dann brauchen sie einen Sonderpädagogen). Da ich meine Frau nach meinen 20 Jahren Unterrichtserfahrung ohnehin vor einer Rückkehr in ein Klassenzimmer gewarnt hatte, begann sie an der PH Vorarlberg das Masterstudium Andragogik.
„Was studiert sie? Männerführung?“, kommentierte ein des Altgriechischen mächtiger, aristokratischer Freund meine Antwort auf die Frage nach dem Studium meiner Frau. „Erwachsenenbildung!“, gab ich zurück und er schmunzelte: „Versteh‘ schon.“ Wenn er aber jetzt gemeint hat, er könne sich von meiner Frau irgendwann etwas beibringen lassen, dann hat er sich getäuscht. Für einen Mann oder auch eine Frau des Jahrgangs 1934 ist längst schon ein/e Geragoge/in zuständig.

Natürlich ist das Lernen im Kleinkindalter anders als im Kinder- oder Jugendalter. Erwachsene lernen wieder anders und für betagte Menschen trifft dies auch zu. Eigentlich lernt jeder Mensch anders und das ist ja die Crux an der Sache. Vielleicht müsste man sich einmal die Mühe machen und wirklich herauszufinden versuchen, was erfolgreichen Unterricht ausmacht. Erraten, das habe ich bereits gemacht (gelogen, es war Hans-Peter Kobler aus Zürich, ich habe es nur von ihm gelernt).
Die Grundlage für erfolgreichen Unterricht ist die Kommunikation. Respekt, Empathie, Rapport und eine positive Einstellung schaffen eine solide Basis für Unterricht. Die nächste Stufe sind klare Ziele. Die Lehrpläne strotzen zwar vor Zielen, doch scheint es mir, dass sie gerne aus den Augen verloren werden. Stufe 3 der Treppe zu erfolgreichem Unterricht ist die Wahl der passenden Methode. Natürlich unterscheiden sich Methoden für Kinder von Methoden für Erwachsene. Ebenso klar wäre es, dass sich Methoden von vor 25 Jahren von den heutigen unterscheiden, doch das hat sich leider noch nicht so ganz herumgesprochen. Als Tüpfchen auf dem i kommt noch eine passende Überprüfungsmethode. Hier geht es übrigens nicht darum, das Versagen des Lernenden festzustellen, sondern viel mehr um die Überprüfung, ob Kommunikation, Zielklarheit und Methodenwahl passen.
Pädagogen, Andragogen, Geragogen – allen ist gemein, dass sie Menschen unterrichten. Menschen brauchen respektvollen, modernen Unterricht, Menschen brauchen Anthropogogen.
Hoffentlich wird an der PH Vorarlberg bald ein Geragogikstudium angeboten. Zusammen werden wir dann vielleicht das erste vollumfassend ausgebildete Anthropogogenpaar Österreichs.
Doch eigentlich sind wir das schon längst, denn wir haben begriffen, dass wir Menschen unterrichten.

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SimonH - 16. Jun, 22:51

Was Andragogen leisten oder "Andragogen als perfekte Eierlegendewollmilchsäue"

„Pädagogen, Andragogen, Geragogen – allen ist gemein, dass sie Menschen unterricht.“ Ein wahrer Satz, aber halt nur auf den ersten Blick.
Andragogen sind die Gruppe derer, die sich mit einem breiten Feld befassen. Zwar beschränkt sich das Tätigkeitsfeld natürlich auf Erwachsenen, doch stellt man sich hier berechtigterweise gleich die Frage: „Sind alte Menschen nicht auch erwachsen?“
Andragogen unterrichten nicht, sie ermöglichen. Andragogen vermitteln nicht, sie bieten an. Lernstoff wird nicht länger über die Menschen gebetet, sondern er wird in vielfältiger Art und Weise angeboten. Die Andragogik ist es, die es schafft, alle Bereiche zu verbinden.
Der Pädagoge wird nicht länger von einem Pädagogen, sondern von einem Andragogen ausgebildet. Der Geragoge kann sich ganz auf die Fähigkeiten seines „Facilitators“ verlassen, der ihm die Angebote zur Verfügung stellt.
Andragogik gehört nicht in die typische „Schublade“ von Bildungsvermittlung und Überprüfung durch Tests. Andragogen sind vielmehr in der Lage, die Menschen wirklich da abzuholen, wo sie stehen. Der Lernende erhält durch die Selbststeuerung die Möglichkeit, sich die Materialien zu holen, die er braucht. Der Andragoge bietet diese nur an. Der Knackpunkt in der Andragogik ist es nicht, schlussendlich Wissen durch irgendwelche abstrakten Prüfungsfragen abzurufen. Vielmehr geht es darum, dass der Lernende eine Handlungskompetenz erhält.
Lernziele werden nicht länger mit „Der Teilnehmer soll…“ gebildet, sondern beziehen sich in der Andragogik auf die Tätigkeit, die der Trainee am Schluss beherrschen soll.
Eine Frage hätte ich noch: Als was für einen Anthropogogen sehen Sie sich? Biologisch, philosophisch, forensisch, historisch, kybernetisch, …?
Das wäre eine spannende Sache….

arnobraendle.com - 17. Jun, 13:10

Anthropogogik - was ist das?

Der Begriff Anthropogogik (von griech. ánthropos „Mensch“ und agein, „führen“) wurde 2008 erstmals ansatzweise von meiner Frau Petra und mir definiert. Die Anthropogogik soll jene wissenschaftliche Disziplin sein, die sich mit der Bildung des Menschen auseinandersetzt. Dabei bilden Respekt und Empathie die ethische Grundlage. In der Anthropogogik werden die Teilbereiche Pädagogik, Andragogik und Geragogik vereint. Dies ist notwendig, da es keine klaren Grenzen zwischen den betreffenden Altersgruppen gibt. Prinzipiell bauen alle drei Teilbereiche auf dem gleichen Fundament auf, dem Wissen um die Entwicklung und die Funktionsweise des menschlichen Gehirns. Berücksichtigt werden aber nicht nur verschiedene, altersbedingte Entwicklungsstadien des Gehirns, sondern auch geschlechtsspezifische Eigenheiten.
Ziel ist es, den Prozess des lebensbreiten Lernens respektvoll und empathisch nach „state of the art“ zu unterstützen.
Der Begriff Anthropogogik leistet auch einen Beitrag zu einer gendersymmetrischen Sprache“. Während die Begriffe Pädagogik und Andragogik etymologisch von den maskulinen Formen abstammen, ist Anthropogogik ein geschlechtsneutraler Begriff.

Wir nehmen die Andragogik sehr ernst. Das weisst du, denn du bist Petras Andragogik-Kommilitone. Leider konnte ich an diesem berufsbegleitenden Masterlehrgang nicht teilnehmen, weil meine Ferienzeiten nicht kompatibel sind. Ich nütze aber jede Gelegenheit, und durch Petra bieten sich mir derer viele, mich informell auf diesem Gebiet weiterzubilden.
Lass mich nun den Advocatus Diaboli spielen:
Ich befürchte, dass das fast an das Dogmatische grenzende sich beschränken auf die Rolle des Facilitators unterschätzt, dass die von Natur aus dem Menschen eigene Selbstlernfähigkeit durch den Pflichtschulbesuch und durch andere Institutionen arg in Mitleidenschaft gezogen wurde. Ich stimme zwar zu, dass diese Eigenschaft immer noch vorhanden ist und auch reaktiviert werden kann, glaube aber, dass viele Auftraggeber nicht die nötigen zeitlichen Rahmenbedingungen zur Verfügung stellen werden. Die Anthropogogik soll nun beispielsweise ein Konzept erstellen, wie Lernen quasi „von der Wiege bis zur Bahre“ menschengerecht initiiert werden kann, ohne dass nachfolgende Facilitatoren zuerst damit beginnen müssen, Kollateralschäden, die durch den früheren Besuch von Bildungseinrichtungen entstanden sind, zu beheben.
SimonH - 18. Jun, 14:14

da kommt noch was :)

Hallo,
ich wollte nur mitteilen, dass da noch bald was als Antwort kommt, ich aber derzeit ein wenig überlastet bin.

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