Montag, 22. Juni 2009

Wir entdecken TUT!

Moderne Schulbildung darf nicht nur aus Vortrag, Buch und Bildschirm bestehen. Deshalb mache ich mich heute zusammen mit meinen Schülerinnen und Schülern auf den Weg, um mit ihnen zusammen „Tutanchamun“ zu entdecken. Unsere Reise führt uns leider nicht nach Ägypten, aber wenigstens in die große „Tutanchamun-Ausstellung“ nach München.

Das neue Ausstellungskonzept gibt den Besuchern die Chance in die Vergangenheit einzutauchen. Diese Ausstellung war bereits in Zürich. Ein NZZ Bericht konnte mich überzeugten.

Einige Museen und Ausstellungen haben sich zu hervorragenden Lernorten entwickelt. „Hands-on“ ist die Devise. Es ist einfach toll, was in manchen Orten geboten wird.
Drei dieser „Hands-on-Museen“ haben mich besonders beindruckt,
das „Technorama“ in Winterthur,
das „Haus der Musik“ in Wien
und das „Maison de la Pataphonie“ in Dinant.
Doch auch viele kleinere Museen folgen diesem Trend. Die „inatura“ in Dornbirn
ist ein solches Beispiel.
1994 forderte der bekannte Intelligenzforscher Howard Gardner in seinem Buch „Der ungeschulte Kopf – Wie Kinder denken“ Kindermuseen als Orte des entdeckenden Lernens. Viele kommerziellen Anbieter haben diese Lektion gelernt. Wann ist es aber in den Schulen so weit, dass die interessantesten Gegenstände nicht mehr in Sammlungen weggesperrt werden, sondern den Schülern in Lern- und Erfahrungswelten zur Verfügung gestellt werden?

Morgen folgt der 3. Teil der TALIS – Die OECD Lehrerstudie – Nachbesprechung.

Sonntag, 21. Juni 2009

TALIS – Die OECD Lehrerstudie Teil 2 : Österreichs Lehrer, unbelohnt aber zufrieden

(Fortsetung von gestern)

„Bewertung und Feedback haben einen starken, positiven Einfluss auf Lehrer und ihre Arbeit. Lehrer berichten, dass dies ihre berufliche Zufriedenheit und in gewissem Grad ihre berufliche Sicherheit steigert und ihre Entwicklung als Lehrer deutlich verstärkt.

In zahlreichen Ländern gibt es eine relativ schwache Bewertungsstruktur und dort gibt es weder Schulbewertungen noch Lehrerbeurteilungen und Feedback. Zum Beispiel arbeiten ein Drittel und mehr der Lehrer in Portugal (33 %), Österreich (35 %) und Irland (39 %) in Schulen, in denen in den letzten fünf Jahren keine Form von Schulbewertung stattfand.

Die meisten Lehrer arbeiten in Schulen, die für ihre Anstrengungen keine Belohnung oder Anerkennung anbieten. Drei Viertel berichteten, dass sie für eine Qualitätsverbesserung ihrer Arbeit keine Anerkennung erhalten würden. Ein ähnlicher Anteil berichtete, dass sie keine Anerkennung für innovativere Lehrmethoden erhalten würden.
…“ Quelle

Die Arbeit der österreichischen Lehrkräfte
- wird wenig evaluiert
- wird wenig von mittelbaren und unmittelbaren Vorgesetzten gelobt
- wird nicht durch finanzielle Anreize gefördert
- ist von Resignation geprägt (mehr als 85% glauben nicht, dass sie Anerkennung erhielten, wenn sie die Qualität ihres Unterrichts verbesserten)

„Wenn mir schon niemand sagt, dass er mit meiner Arbeit zufrieden ist, dann tu ich das halt selber“, hat sich wohl mancher Lehrer und manche Lehrerin gedacht als in der Studie die „Zufriedenheit mit der eigenen Arbeit“ abgefragt wurde. Das ist mehr als verständlich.


Leistungsfördernde Maßnahmen sind:
Feedback
Lob, Anerkennung
finanzielle Anreize

In allen diesen Bereichen hinkt Österreich hinterher.

Letzter Höhepunkt des Ausdrucks der Geringschätzung war, als die oberste Chefin der Lehrkräfte, die Frau Unterrichtsministerin durch ihre „2 unbezahlte Unterrichtsstunden mehr Idee“ ihnen und an die ganzen Nation die Botschaft sendete, dass Lehrpersonen bislang überbezahlt und unterbeschäftigt gewesen wären. Ein Heer von Menschen, die Lehrpersonen um Vieles beneiden, doch für keinen Preis der Welt diesen Job machen wollten, stimmten in den Chor der Kritiker ein. Es ist nicht nur ein Zeichen von Inkompetenz sondern schon fast als frech zu bezeichnen, wenn eine solche Idee dann auch noch als Beitrag zur Verbesserung der Qualität der Österreichischen Schulen verkauft wird.
Die Lehrerinnen und Lehrer haben trotz aller berechtigten Kritikpunkte, die man am Unterricht an österreichischen Schulen anbringen kann recht. Wer in einem solchen Schulsystem, in diesem Antilehrerklima und unter einer solchen Chefin Dienst tut, kann mit dem Geleisteten zufrieden sein.

Mehr dazu am Dienstag in:
TALIS – Die OECD Lehrerstudie Teil 3: Österreichs Lehrer, alles Mist oder was?

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Samstag, 20. Juni 2009

TALIS – Die OECD Lehrerstudie Teil 1: Österreichs Lehrer wenig erfolgreich aber zufrieden

Am Dienstag, den 16. Juni, wurde die 1. internationale OECD Lehrerstudie präsentiert. Würde man die Erkenntnisse ernst nehmen, so müsste auch ohne nennenswerte Schulreform schnell gehandelt werden. Für Österreich gibt in vielen Bereichen unmittelbaren Handlungsbedarf.

Jede Zusammenfassung einer Studie, speziell wenn der Bericht die Ergebnisse von 23 Teilnehmerländern enthält und in Relation zueinander stellt und aus diesem dann die relevanten Ergebnisse für ein Land herausgefiltert werden, läuft Gefahr von dem, der diese Arbeit durchführt, verzerrt zu werden. Anstelle einer von mir verzerrten Zusammenfassung bitte ich Sie nun, die Zusammenfassung der OECD in Deutsch oder in Englisch zu lesen. Ich kann auch die „Österreichversion“ der APA und für ganz Eilige die Kurzfassung der Österreichergebnisse der APA anbieten. Meine Schussfolgerungen beziehen sich auf diese Papiere. Nicht unerheblich ist auch, nach welchem Konzept die Studie durchgeführt wurde. Hier finden Sie die englische Beschreibung der OECD von TALIS.

Wichtig erscheint mir, dass es sich bei dieser Studie um eine Umfrage bei Lehrpersonen handelt, die ihre Einschätzung mitteilten. Es wurden also keine Lehrpersonen getestet, wie es mit den Lernenden bei PISA der Fall war, noch wurden die teilnehmenden Schulen vor Ort evaluiert.

Viele widersprüchliche Ergebnisse

Ob es in anderen Ländern auch so ist habe ich nicht untersucht, doch für Österreich stelle ich fest, dass die Studie viele widersprüchliche Ergebnisse zutage fördert.

Lehrpersonen sind zufrieden mit ihre Arbeit: 97 Prozent denken "bei den Schülern in meiner Klasse erfolgreich" zu sein (TALIS-Schnitt: 95 Prozent), 93 Prozent sind "alles in allem" mit ihrer Arbeit zufrieden (TALIS-Schnitt: 90 Prozent).

Dies ist deshalb erstaunlich, weil Österreichs Schüler
mehr den Unterricht stören (61,4 Prozent, TALIS-Schnitt: 60,2 Prozent)
mehr durch Fluchen auffallen (44,6 Prozent, TALIS-Schnitt: 36,5 Prozent)
mehr Dinge zerstören (Vandalismus 30,8 Prozent, TALIS-Schnitt: 27,1 Prozent)
UND die österreichischen Lehrpersonen attestieren ein positives disziplinäres Klima in den Klassen, verglichen mit anderen Teilnehmerstaaten.

Wenn das Benehmen schon nicht so gut ist, dann könnten die Schülerleistungen eine Erklärung für die (Selbst-) Zufriedenheit der Lehrkräfte sein.

Doch erinnern wir uns an PISA 2006

Naturwissenschaften
11 von 57 Teilnehmerstaaten schnitten signifikant besser ab als Österreich. Dabei sind 16% der Österreichischen Schüler in diesem Bereich Risikoschüler

Lesen
13 Teilnehmerstaaten schnitten signifikant besser ab als Österreich. Dabei sind 21,5% der Österreichischen Schüler in diesem Bereich Risikoschüler, d.h. jeder 5 Schüler im Alter von 15 Jahren kann so schlecht sinnerfassend lesen, dass das berufliche und gesellschaftliche Leben darunter leidet.

Mathematik
14 Teilnehmerstaaten schnitten signifikant besser ab als Österreich. Dabei sind 20% der Österreichischen Schüler in diesem Bereich Risikoschüler, d.h. sie haben große Probleme, einfache mathematische Konzepte in lebensnahen Situationen anzuwenden.

Jeder 10 österreichische Schüler und jede 10. österreichische Schülerin ist in ALLEN drei Bereichen ein(e) RISIKOSCHÜLER(IN)!

Hier finden Sie den OECD Kurzbericht zu PISA 2006 Österreich.


Wie kommt des dazu, dass Österreichs Lehrerinnen weiniger erfolgreich und dennoch (selbst-)zufriedener sind?

Mehr dazu morgen in:
TALIS – Die OECD Lehrerstudie Teil 2: Österreichs Lehrer, unbelohnt aber zufrieden!

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Freitag, 19. Juni 2009

Anthropogogik - menschliches Lernen

Seit letztem Jahr bemühe ich mich zusammen mit meiner Frau Petra um die Beschreibung einer neuen, wissenschaftlichen "Disziplin". Die Teilbereiche der Anthropogogik gibt es zwar schon lange, doch es fehlt die Zusammenhänge feststellende, koordinierende, die Gesamtschau bewahrende Schirmwissenschaft.

Anthropogogik (von griech. ánthropos „Mensch“ und agein, „führen“) soll jene wissenschaftliche Disziplin sein, die sich mit der Bildung des Menschen auseinandersetzt. Dabei bilden Respekt und Empathie die ethische Grundlage. In der Anthropogogik werden die Teilbereiche Pädagogik, Andragogik und Geragogik vereint. Dies ist notwendig, da es keine klaren Grenzen zwischen den Altersgruppen gibt, welche den Teilbereichen zugeordnet sind. Prinzipiell bauen alle drei Teilbereiche auf dem gleichen Fundament auf, dem Wissen um die Entwicklung und die Funktionsweise des menschlichen Gehirns. Berücksichtigt werden aber nicht nur verschiedene, altersbedingte Entwicklungsstadien des Gehirns, sondern auch geschlechtsspezifische Eigenheiten.

Ziel ist es, den Prozess des lebensbreiten Lernens respektvoll und empathisch nach „state of the art“ zu unterstützen.

Der Begriff Anthropogogik leistet auch einen Beitrag zu einer gendersymmetrischen Sprache“. Während die Begriffe Pädagogik und Andragogik etymologisch von maskulinen Formen abstammen, ist Anthropogogik ein geschlechtsneutraler Begriff.

In der Anthropogogik sollen beispielsweise Konzepte erstellt werden, die bereits von frühester Kindheit an dazu Sorge tragen, dass vorschulischen Frühförderung, die Primar- und Sekundarstufe bis hin zum tertiären Bildungsbereich zueinander kompatibel, aufbauend ineinander greifen. Schnittstellen- und Übergangsprobleme sollen vermieden und dadurch der Lernprozess optimiert werden.

Der Begriff Anthropogogik wurde 2008 erstmals von der Andragogikstudentin Petra Brändle, Dipl. Päd. und ihrem Ehemann Arno Brändle, Dipl. Päd. ansatzweise definiert.

Von „http://wiki.bildungsserver.de/index.php/Anthropogogik

Dienstag, 16. Juni 2009

Eltern - Aktivposten der Schule

Ich habe mich bereits kritisch über Eltern und die Ausübung ihrer Pflichten geäußert und werde dies in Zukunft sicher noch öfters tun. Mit der Verwendung des Begriffes „die Eltern“ wird natürlich eine an und für sich unhaltbare Verallgemeinerung vorgenommen. Eltern sind so vielfältig, wie die Menschen es eben sind. Und, auch wenn es manchen Lehrkräften nicht in jeder Situation so vorkommen mag, es sind auch Menschen. Übrigens gilt dies auch umgekehrt, auch wenn der Pädagoge es gelegentlich an Menschlichkeit missen lässt. Generell möchten Eltern das Beste für ihre Kinder, und das ist gut so. Es haben aber nicht alle den gleichen Wissenstand oder Erfahrungsschatz. Auch sind nicht alle bereit den nötigen Einsatz über die vielen Jahre zu erbringen, bis die Brut endlich aufgezogen und flügge ist. Vielen geht angesichts dieser Knochenarbeit die Luft aus, manchen schon nach ein paar Wochen.
Eltern schließen sich an Schulen oft zu Elternvereinen zusammen und es gibt sogar Landesverbände. Auf den ersten Blick ist man versucht zu glauben, es wären diese Vereine und Verbände, die gemeint sein könnten, wenn Eltern für das Scheitern von Reformen verantwortlich gemacht werden. Dem kann ich gar nicht zustimmen. In meiner Arbeit habe ich es immer engagierte Elternvertreter und -vertreterinnen zu tun gehabt, die sich für eine bessere Schule eingesetzt haben. Dies ist einfach zu verstehen, denn jemand dem Schule gleichgültig ist, wird wohl kaum die unbezahlte Zeit aufbringen, um einem Elternverein oder –verband vorzustehen. Diese Eltern wollen eine Schulreform. Als Beleg für diese Behauptung verweise ich auf die Mitgliederliste der ARGE Gemeinsame Schule Vorarlberg, wo mit Jürgen Schellander der ehemalige Obmann des Landesverbands der Pflichtschuleltern und mit Ernst Schwald auch der Obmann des Elternlandesverbandes der mittleren und höheren Schulen zu finden ist. Solche Eltern pauschal als Bremser hinzustellen, ist einfach unfair.
Oft sind es kleine Dinge, die bremsen. Am meinem ersten Abend als Elternvertreter einer ersten Volksschulklasse, musste ich gleich eine solche Erfahrung machen. Erst seit ein paar Wochen im Dorf wohnend, unbekannt und bar jeder Erfahrung mit den Gepflogenheiten der örtlichen Volksschule, musste ich Minuten nach meiner Wahl feststellen, dass in dieser Schule auch in den ersten Jahren mit Ziffernnoten operiert wird. Das habe ich so nicht erwartet, denn von der Schulzeit meiner Tochter war ich etwas anderes gewohnt. Gleich setzte ich zu einer glühenden Rede zur Abschaffung der Ziffernnote und der Einführung eines Portfolios an. Die Lehrerin war wohl ein bisschen geschockt –„Das hat es an unserer Schule noch nie gegeben“ - und ich war es auch, nicht wegen ihr, sondern wegen der Reaktion der Eltern… „Wir haben auch Noten gehabt.“ – Antwort: „Früher wurde in den Schulen geschlagen. Sind sie nicht froh, dass diese Zeiten vorbei sind?“…“In der Hauptschule oder im Gymnasium bekommen sie auch Noten.“- Antwort: „Stimmt, aber bis dahin dauert es noch. Würden Sie jetzt üben mit Krücken zu laufen, wenn Sie wüssten, dass sie sich in vier Jahren ein Bein brechen werden? Ich schlage vor, dass wir die ziffernnotenlose Zeit vorerst auf zwei Jahre beschränken.“ … „Kinder wollen Noten.“ – Antwort: „Anfangs ja, aber dann nur noch die, die gute Noten bekommen. Die, die sich anstrengen können, wie sie wollen und doch nicht „sehr gut“ sind, verlieren die Freude an Noten, dann am Lernen und an der Schule.“ Ich ließ nicht locker. Als erste stimmte die Lehrerin zu, gesetztenfalls der Schulversuch würde noch nachträglich genehmigt. Nach und nach trug meine Beharrlichkeit Früchte. Nach eineinhalbstündiger Diskussion wurde dieses Reformwerk mit 100% Zustimmung in Angriff genommen. Ob es nun meine Argumente waren oder die Angst der Eltern, dass dieser Elternabend nie mehr enden würde, kann ich nicht beurteilen. Diese Klasse wurde wenigstens im ersten Schuljahr als erste Klasse (und leider bislang einzige) dieser Schule nicht mit Ziffernnoten beurteilt und ich bin immer noch Klassenelternvertreter, obwohl die Eltern seither dreimal die Gelegenheit gehabt hätten, mich los zu werden.
Als Lehrer versuche ich den Umfang von Hausaufgaben so gering wie möglich zu halten. Wenn es irgendwie geht, möchte ich auch ganz auf sie verzichten. Der Wert von Hausaufgaben ist umstritten. Eine einfache Rechnung zeigt das. Wenn Hausaufgaben wenigstens ein bisschen etwas bringen sollen, muss kontrolliert werden ob und wie sie gemacht wurden. Dies braucht Zeit. Diese Zeit könnte in der Schule weitaus sinnvoller genutzt werden. Ebenso die Zeit zuhause. Natürlich gibt es auch sinnvolle Aufgaben, aber ich wähle sie halt mit Bedacht aus und gebe sie nicht nur aus einer Gewohnheit heraus. Jedes Jahr sehe ich mich teilweise forschen Angriffen von Eltern ausgesetzt, die nicht verstehen können, dass ihre Kinder bei mir kaum Hausaufgaben haben.
Wer sagt, dass die Lehrer die Schule gestalten sollen, hat sicher recht.
Wer sagt, dass Eltern dies oft nicht zulassen, hat nicht unrecht.

Montag, 15. Juni 2009

Bremsklötze der Schulreform

„Mein Kind first – Wie Eltern gute Schule verhindern“ titelt Christian Füller am 12.06.2009 seine Abrechnung im „Spiegel“. Dabei unterstellt er Eltern, dass sie lediglich bereit sind einer Schulreform zuzustimmen, die unmittelbar ihrem Kind hilft und die keinesfalls dazu führt, dass ihr Kind mit Unterschichtkindern in Kontakt kommt. „Spiel nicht mit den Schmuddelkindern“ – Franz Josef Degenhardts Liedtext aus dem Jahr 1965 ist heute so aktuell wie damals. 2006 beschrieb Walter Wüllenweber unter genau diesem Titel im „Stern“ den Zusammenhang zwischen Bildungsarmut und neuer Armut. Peter Fischer, Professor an der PH Vorarlberg hat schon in mehreren Artikeln auf diese Problematik hingewiesen. Das Problem wurde schon lange erkannt. Viele Experten machen sich für eine umfassende Schulreform stark. Warum geschieht nichts? Wo sind die Bremsklötze?

Das Beispiel Liechtenstein

Im 35000 Einwohner zählenden Fürstentum Liechtenstein wurde von der Regierung am 20.12.2005 der Beschluss gefasst, die Sekundarschule 1 (6.-9. Schuljahr) grundlegend zu reformieren. In weiterer Folge wurden die nötigen Lenkungsteams gegründet und ein ehrgeiziger Zeitplan aufgestellt. Im kommenden Schuljahr hätte mit der gemeinsamen Schule bis zum 8. Schuljahr begonnen werden sollen. 1,58 Millionen Franken wurden investiert um an jedem Standort ein Profil zu entwickeln, das der Umsetzung dieses Planes dienen hätte sollen. Neben den beiden Regierungsparteien konnte das SPES 1 genannte Projekt auch auf breite Unterstützung vieler Interessensgruppen, vor allem aus der Wirtschaft, zählen. Auch der Bevölkerung wurde Gelegenheit gegeben, sich in einer Vortagsreihe über die Sinnhaftigkeit und die Machbarkeit eines solchen Vorhabens zu informieren. Ein Höhepunkt waren dabei sicher die Schilderungen von Enja Riegel, der ehemaligen Leiterin der „Helene-Lange-Schule“. Erwartungsgemäß regte sich Unmut unter der Belegschaft des Liechtensteinischen Gymnasiums. Auch wurde in der Bevölkerung eine Gruppe aktiv, die letztendlich alles daran setzte, die Reform doch noch zu kippen. Als dann auch noch die große Regierungspartei FBP umschwenkte und in deren Tageszeitung, dem „Liechtensteiner Volksblatt“, eine beispiellose Kampagne gegen SPES begann, wurde das Ende von SPES erst möglich. Am 28.11.2009 überstand SPES zwar noch eine Abstimmung im Landtag mit den Stimmen der kleinen Regierungspartei VU und der Oppositionspartei FL. Gleichzeitig wurde aber auch die Abhaltung einer Volksabstimmung beschlossen. Befürworter und Gegner stritten für ihre Sache und am Abend des 29.03.2009 war es Gewissheit. SPES war gestorben. Gleich wurde mit der Ursachenforschung begonnen. Offizielle Ergebnisse liegen aber bis dato nicht vor. Da ich aber in diesen Prozess direkt involviert war, wage ich es, über die Gründe des Scheiterns zu mutmaßen:
BREMSKLOTZ 1
Das LG – (Liechtensteinisches Gymnasium)
Dies ist durchaus verständlich. Für die Lehrpersonen der Unterstufe hätte diese Reform weitreichende Veränderungen bis hin zu einem neuen Arbeitsplatz bedeutet. Beflügelt von der anfänglich sehr breiten Unterstützung haben es die Verantwortlichen wohl versäumt, die Lehrpersonen des LGs mit ins Boot zu holen.
BREMSKLOTZ 2
Konservative
Eine mehrheitlich konservative Gruppe von Menschen, die schier unermüdlich Leserbriefe schrieb, um gegen dieses Vorhaben zu wettern.
BREMSKLOTZ 3
Die FBP
Die große Regierungspartei trat plötzlich gegen die eigenen Beschlüsse auf.
BREMSKLOTZ 4
Das „Liechtensteiner Volksblatt“
Das von der FBP kontrollierte Volksblatt, opferte viele Seiten , um das begonnene Werk zu stoppen.
BREMSKLOTZ 5
Die Wirtschaftskrise.
Just zum Abstimmungszeitpunkt hat die Wirtschaftskrise wohl alle Bevölkerungsschichten erfasst und dazu beigetragen, dass die Lust Neues zu wagen besonders gering war.
BREMSKLOTZ 6
Der ambitionierte Zeitplan
In der gebotenen Eile gelang es nicht überall, ein Profil zu erarbeiten, das auf Anhieb überzeugen konnte. Bei den erläuternden Informationsveranstaltungen kamen wohl überwiegend Leute, die SPES befürworteten. Nur so lässt sich die Diskrepanz zwischen Stimmung bei diesen Veranstaltungen und Abstimmungsergebnis erklären.
FAZIT
Da SPES mit 52,9% zur großen Überraschung aller Beteiligten abgelehnt wurde, müssen es wohl die Eltern gewesen sein, die SPES nicht trauten und den Argumenten der überwiegend gutsituierten Bildungsbürger gegen SPES folgten. Immer mehr trat in den Vordergrund, dass es nach 5 Schuljahren höchste Zeit sei, die Klassen, und hier sind die gesellschaftlichen und nicht die der Primarschule gemeint, endlich zu trennen.
Die in Liechtenstein sehr pragmatisch operierenden Vertreter der Wirtschaft haben die Zeichen der Zeit erkannt, und haben ein zeitgemäßes Bildungssystem gefordert. Es waren die Stimmbürger, die mehrheitlich nicht über den Schatten der Tradition springen konnten.

Auch wenn sich Österreich und das kleine Fürstentum in vielen Dingen deutlich unterscheiden, so kann man doch Parallelen erkennen. Auch hier gibt es mit der ÖVP eine konservative Regierungspartei, die sich gegen solche Bestrebungen stellt. Auch unterstelle ich den Gymnasiallehrern in großer Zahl gegen eine solche Schulreform zu sein. Dass es in Österreich eine Gruppe Konservativer gibt, die eine Tageszeitung finden können, um eine Reform zu kippen, darf wohl als sicher angenommen werden. Auch in Österreich haben Wirtschaftsvertreter die Notwendigkeit für Veränderung erkannt. Doch bis zu einem Regierungsbeschluss und zum Beginn konkreter Arbeit ist in der Alpenrepublik noch ein weiter Weg. Trotz des SPESdebakels vom 29.03.2009 ist das Fürstentum einer Reform viel näher. Hier wird man sich nicht auf Dauer mit suboptimalen Ergebnissen eines teuren Bildungssystems begnügen. Ich wage die Prognose, dass in Liechtenstein die gemeinsame Schule 10 Jahre früher kommen wird als in Österreich. Dennoch wünsche ich der ARGE Gemeinsame Schule Vorarlberg viel Erfolg.

Samstag, 13. Juni 2009

Vatertag

Still und leise kommt er daher geschlichen und steht wieder vor der Tür: der Vatertag. Um ihn wird viel weniger Rummel gemacht als um sein gegengeschlechtliches Pendant. Anfang Mai beschert der Muttertag der Werbewirtschaft ein fettes Zubrot. Den Vatertag versuchen nur wenige für wirtschaftliche Zwecke zu nützen. Wenn der Vatertag als Verkaufsargument herhalten muss, dann schaut das fast so aus, als ob sich die käufergunstbuhlende Firma an einen letzten Strohhalm klammern müsste. Nicht, dass ich die Mütter um diese Aufmerksamkeit beneiden würde, doch ein bisschen seltsam ist es schon, wenn der kleine Sohn, von der Volksschule ausgestattet mit Basteleien und einem Muttertagsgedicht auf den Lippen, es kaum erwarten kann, dass Mama zum festlich geschmückten Frühstückstisch erscheint, während der Vatertag in der Schule nicht einmal erwähnt wird. Auch damit kann ich leben, denn meine Kinder denken an mich. Heute, am Tag vor dem Vatertag wurde ich bereits mit einem selbstgebackenen Kuchen verwöhnt und morgen werden sie, ohne das übliche Murren mit mir eine Bergwanderung unternehmen. Ich bin gerne Vater, und ich wäre das auch ohne Vatertag.

Ich kenne viele Männer, die gerne Vater sind und sich in einer Weise um ihre Kinder kümmern, wie es vor einem halben Jahrhundert kaum vorstellbar gewesen wäre. Ich kenne aber auch Väter, die gerne ihren Pflichten nachkämen, aber per Gesetz daran gehindert werden. Diese Männer leiden sehr und für sie ist der Vatertag kein Grund zur Freude. Ihnen möchte ich meinen heutigen Eintrag widmen.

Viele Kinder müssen vaterlos aufwachsen, und dies bleibt nicht ohne Folgen. Ich weiß, dass die meisten alleinerziehenden Mütter alles tun, was in ihrer Macht steht, um den fehlenden Vater zu ersetzen. Doch es gelingt nicht. Ein Vater kann von einer Mutter genauso wenig ersetzt werden, wie dies umgekehrt gelingen kann. Natürlich gibt es Situationen in denen das Ende mit Schrecken dem Schrecken ohne Ende vorzuziehen ist. Dennoch plädiere ich für eine Familie (mit oder ohne Trauschein) in der alle Komponenten vorhanden sind. Die Mehrzahl der Kinder und Jugendlichen mit sehr großen Problemen kommen aus Familien ohne Väter.
Viele Kinder wachsen nicht nur vaterlos, sondern ganz männerlos auf. In den Volksschulen sind kaum noch Männer zu finden und wenn sie noch vereinzelt dort sind, sind sie meistens, wie Exponate einer aussterbenden Spezies, in Schulleiterzimmern ausgestellt. Auch im Sekundarschulbereich sinkt der Männeranteil stetig. Was es heißt, wenn Jugendliche ihr Männerrollenbild mangels realen Kontakts von einem Bildschirm erlernt haben, kann man sich lebhaft vorstellen. Es steht zu befürchten, dass die Zahl der kompetenten Väter in naher Zukunft weiter abnehmen wird.
Deshalb soll er ruhig einmal im Jahr geehrt werden, der unterschätzte Elternteil, der Vater.

http://www.vaterverbot.at/

http://www.focus.de/kultur/leben/erziehung-wo-ist-vati_aid_152720.html

Freitag, 12. Juni 2009

Anthropogogen braucht das Land!

Das Lehren muss eine ganz verzwickte Angelegenheit sein. Ich bin gelernter Hauptschullehrer und somit ein nachdiplomierter Pädagoge. Auch wenn das Wort Pädagogik eigentlich „Knabenführer“ bedeutet, sind damit natürlich Kinder beiderlei Geschlechts gemeint. Unterrichten darf ich aber nur die Gruppe der 10 bis ungefähr 15jährigen (wenn sie nicht zu schlau sind, denn dann brauchen sie natürlich einen Professor). Meine Frau Petra ist auch Diplompädagogin. Sie darf Kinder im Volksschulalter unterrichten (die dürfen schlau, aber nicht schwach sein, denn dann brauchen sie einen Sonderpädagogen). Da ich meine Frau nach meinen 20 Jahren Unterrichtserfahrung ohnehin vor einer Rückkehr in ein Klassenzimmer gewarnt hatte, begann sie an der PH Vorarlberg das Masterstudium Andragogik.
„Was studiert sie? Männerführung?“, kommentierte ein des Altgriechischen mächtiger, aristokratischer Freund meine Antwort auf die Frage nach dem Studium meiner Frau. „Erwachsenenbildung!“, gab ich zurück und er schmunzelte: „Versteh‘ schon.“ Wenn er aber jetzt gemeint hat, er könne sich von meiner Frau irgendwann etwas beibringen lassen, dann hat er sich getäuscht. Für einen Mann oder auch eine Frau des Jahrgangs 1934 ist längst schon ein/e Geragoge/in zuständig.

Natürlich ist das Lernen im Kleinkindalter anders als im Kinder- oder Jugendalter. Erwachsene lernen wieder anders und für betagte Menschen trifft dies auch zu. Eigentlich lernt jeder Mensch anders und das ist ja die Crux an der Sache. Vielleicht müsste man sich einmal die Mühe machen und wirklich herauszufinden versuchen, was erfolgreichen Unterricht ausmacht. Erraten, das habe ich bereits gemacht (gelogen, es war Hans-Peter Kobler aus Zürich, ich habe es nur von ihm gelernt).
Die Grundlage für erfolgreichen Unterricht ist die Kommunikation. Respekt, Empathie, Rapport und eine positive Einstellung schaffen eine solide Basis für Unterricht. Die nächste Stufe sind klare Ziele. Die Lehrpläne strotzen zwar vor Zielen, doch scheint es mir, dass sie gerne aus den Augen verloren werden. Stufe 3 der Treppe zu erfolgreichem Unterricht ist die Wahl der passenden Methode. Natürlich unterscheiden sich Methoden für Kinder von Methoden für Erwachsene. Ebenso klar wäre es, dass sich Methoden von vor 25 Jahren von den heutigen unterscheiden, doch das hat sich leider noch nicht so ganz herumgesprochen. Als Tüpfchen auf dem i kommt noch eine passende Überprüfungsmethode. Hier geht es übrigens nicht darum, das Versagen des Lernenden festzustellen, sondern viel mehr um die Überprüfung, ob Kommunikation, Zielklarheit und Methodenwahl passen.
Pädagogen, Andragogen, Geragogen – allen ist gemein, dass sie Menschen unterrichten. Menschen brauchen respektvollen, modernen Unterricht, Menschen brauchen Anthropogogen.
Hoffentlich wird an der PH Vorarlberg bald ein Geragogikstudium angeboten. Zusammen werden wir dann vielleicht das erste vollumfassend ausgebildete Anthropogogenpaar Österreichs.
Doch eigentlich sind wir das schon längst, denn wir haben begriffen, dass wir Menschen unterrichten.

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